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Die Geschichte des Aachener Reviers

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt uns das Aachener Revier als eine der ältesten Steinkohlenbergbauregionen in Europa. Im Gebiet des kleinen Flüsschens Wurm bei Herzogenrath-Kohlscheid wurden Kohlengruben schon im Jahr 1113 erwähnt. Die älteste Urkunde über den Bergbau am Eschweiler Kohlberg geht in das Jahr 1394 zurück. Vermutlich haben aber schon die Römer, die diese Region fast 500 Jahre besetzt hielten, ihre Villen und Badehäuser mit Steinkohle beheizt. Dies wird durch Funde in den Resten römischer Bauwerke belegt.

 

Bis zum 14. Jahrhundert konnte der Bedarf an Kohle aus den im Wurmtal bzw. im hügeligen Gelände zu Tage tretenden Kohleflözen in einfachen Tagebauen gedeckt werden. Als die direkt an der Erdoberfläche liegenden Vorkommen erschöpft waren, wurden Stollen in den Berg getrieben und erste Schächte abgeteuft. Der Bergbau erfuhr Aufschwung, und im 16. Jahrhundert gab es bereits eine Vielzahl von kleineren Bergbau treibenden Familienbetrieben, in denen auch Kinder mitarbeiten mussten. Ein Chronist berichtet von mehreren tausend winziger Schächte, die allerdings nur bis zum Grundwasserspiegel reichten, da aufwendige Pumpwerke fehlten.

 

Nach altem Recht konnte der Grundeigentümer frei über die Kohle unter seinem Grund und Boden verfügen. Das änderte sich erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als die Jülicher Herzöge als Landesherren den Abbau nur gegen die Zahlung eines Gewinnpfennigs erlaubten. Als auch die bodennahen Kohlevorkommen oberhalb des Grundwasserspiegels nicht mehr ausreichten und auch die Herzöge von Jülich nicht mehr auf ihre Gewinnpfennige verzichten wollten, ließen sie auf eigene Kosten durch Wasserräder betriebene Pumpwerke errichten, deren Unterhalt freilich zu Lasten der Pächter ging. So konnte man trotz großer Wasserzuflüsse bis zu 150 Meter Teufe noch Kohle gewinnen – und das mit den primitivsten Mitteln. In der Streckenförderung wurden Hunte eingesetzt, das sind Körbe mit einem schlittenähnlichen Untersatz. Mit Pferdegöpeln und Handhäspeln schafften die „Förderknechte“ die Kohlen aus den Stapeln zu Tage. Mit der ersten dampfbetriebenen Pumpe Deutschlands am Eschweiler Kohlberg aus dem Jahre 1794 konnte die Wasserhaltung dann entscheidend verbessert werden. Noch heute zeugt der Name des Eschweiler Stadtteils „Pumpe“ von diesem industriehistorisch bedeutenden Ereignis.
 

Der Abbau durch viele Einzelbetriebe war bestimmend bis ins 19. Jahrhundert. Mit der Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen im Jahr 1794 wurden die bergrechtlichen Verhältnisse geändert. Der freie Bürger durfte von nun an Bergwerke als Eigentum kaufen und verkaufen; die staatlichen Behörden übten nicht mehr die Leitung, sondern nur noch die Kontrolle der Betriebe aus. Das war der Startschuss für das Unternehmertum im Bergbau, der im preußischen Ruhrgebiet erst Jahrzehnte später fiel.

 

Hierdurch wurden viele Kleinbetriebe zusammengefasst und damit leistungsfähiger. Eine Konzession zum Kohleabbau wurde unter anderem an den kurfürstlichen Hauptmann Karl Englerth aus Eschweiler vergeben. Nach dessen Tod gelang es der Witwe Christine Englerth, im Laufe der Jahre fast alle Konzessionen für den Eschweiler Kohlberg zu erhalten. Als Christine Englerth 1838 starb, ging ihr Besitz in den von ihr gegründeten „Eschweiler-Bergwerks-Verein“ (EBV) über. Dies war die erste deutsche Bergbau-Aktiengesellschaft überhaupt. Auch im Bereich der Wurm wurden die zersplitterten Einzelbetriebe zu größeren Einheiten zusammengefasst. Am bedeutendesten war hier die 1836 gegründete „Vereinigungsgesellschaft für Steinkohlenbergbau im Wurmrevier“. Durch der Fusion der Vereinigungsgesellschaft mit dem EBV entstand 1907 eines der größten deutschen Bergwerksunternehmen.

 

Der Eschweiler-Bergwerk-Verein war in der Für- und Vorsorge für seine Arbeiter und Angestellten anderen Regionen oft einen Schritt voraus. „In der Tat kann es kaum gewerbliche Anlagen geben, bei welchen nach allen Richtungen hin mehr für das Wohl der Arbeiter geschehen ist und geschieht und bei welchen die Werksbesitzer hierfür größere Opfer bringen als bei den Steinkohlengruben zu Eschweiler“, heißt es in einem Dokument aus dem Jahr 1861.

 

Schon sehr früh findet man im Aachener Revier knappschaftsähnliche Vereine und Unterstützungskassen als Vorläufer der heutigen Sozialversicherungen, die Notlagen lindern oder gar nicht erst aufkommen lassen. Der systematische Bau von Siedlungen mit Werkswohnungen mit Stall und Garten in der Nähe der Betriebe sowie Zuschüsse für bauwillige Belegschaftsmitglieder reichen bis ins Jahr 1830 zurück. Obwohl Waschgelegenheiten – genannt „Badeanstalten“ – auf Bergwerken erst 1907 bergpolizeilich vorgeschrieben wurden, verfügte die Grube Zentrum in Eschweiler bereits 1860 über eine Badeeinrichtung für die Belegschaft.

 

Bergleute anderer Gruben gingen noch dreckig nach Hause. Am Anfang des 20. Jahrhunderts wird festgestellt, der Eschweiler-Bergwerks-Verein sei „auf dem Gebiete der Arbeiterfürsorge freiwillig bedeutend weiter gegangen, als die Gesetzgebung es vorschrieb“. Nicht zuletzt wegen der so geübten „loyalen Behandlung der Arbeiterfrage“ entstand zwischen Unternehmen und Beschäftigten ein besonderes Vertrauensverhältnis. Ähnliche Bereitschaft zur Fürsorge finden sich in vielen großen Industrieunternehmen gegen Ende des 19. Jahrhunderts, genannt sei beispielhaft die Firma Krupp in Essen.

 

Ein Grund für die Fürsorge war der allgemeine Arbeitermangel, hervorgerufen durch die fortgesetzte Steigerung der Produktion, der zeitweisen Neugründung vieler Fabriken und dem lebhaften Eisenbahnbau in den 1840er und 1850er Jahren. Einerseits wollte man mit den sehr guten Sozialleistungen Arbeitskräfte anlocken und halten, andererseits wurden aber auch erste „Gastarbeiter“ in auswärtigen Revieren abgeworben, speziell dem Bergischen Land, dem Saarrevier, aus Sachsen, Thüringen, Bayern und Ungarn.

 

Die aufblühende industrielle Revolution entwickelte eine beträchtliche Nachfrage an Kohle. Der neue „Goldrausch“ erfasste auch die Finanzwelt. Namhafte Bankiers und Industrielle aus Köln und Aachen ließen nach neuen Kohlelagerstätten suchen und die Gruben Anna und Maria in Alsdorf errichten. Auch jenseits der Grenzen konnten die belgischen und niederländischen Gruben ihre Fördermengen stetig steigern. Als Mitte des 19. Jahrhunderts die rheinische mit der belgischen Eisenbahn verbunden wurde, sorgte die Steinkohle aus dem Nachbarland für einen kräftigen Konkurrenzdruck. Knapp zwei Jahrzehnte später – inzwischen war in Köln eine Eisenbahnbrücke über den Rhein geschlagen – trat als dritter Bewerber um die Gunst der Kohleverbraucher auch die Ruhrkohle im Aachener Revier in Erscheinung.

 

Der Eschweiler-Bergwerks-Verein stärkte seine Marktposition durch Expansion. Nachdem er sich schon 1842 in das Wurmrevier vorgetastet hatte, erwarb er 1863 die Felder Anna in Alsdorf und Adolf in Merkstein und versuchte, dem Konkurrenzdruck wirksam zu begegnen. Er kaufte die Eisenhütte Concordia in Eschweiler, an der er schon vorher beteiligt war, um den Absatz für einen Teil seiner Kohle zu sichern, und er baute die Gruben Anna und Eschweiler Reserve als Ersatz für die erschöpfte Grube Zentrum aus. Auf Anna entstand eine Kokerei, die bereits im Jahre 1913 mit 342 Koksöfen eine der größten Anlagen dieser Art in Deutschland war. Im selben Jahr wurden die ersten Kohlen aus dem neuen Bergwerk Adolf gefördert.

 

Ein Groß-Abnehmer der geförderten Kohle des EBV wurde im benachbarten Luxemburg gefunden. Hier waren gerade drei Eisenhütten-Gesellschaften zur „Aciéries Réunies de Burbach-Eich-Dudelange“ (Vereinigte Hüttenwerke Burbach-Eich-Düdelingen), kurz ARBED, verschmolzen. Die Gesellschaft konnte sich auf bedeutende Minette-Erzfelder in Luxemburg und Lothringen stützen.

 

Fehlte nur noch die Kohle, die man in Form von Koks zur Reduktion des Eisenoxid-Erzes im Hochofen brauchte. In Luxemburg selbst war sie nicht vorhanden, bezog man sie von der Ruhr, musste man mit hohen Frachtkosten rechnen. Da traf es sich gut, dass mit dem Eschweiler Bergwerks-Verein ein geographisch günstig gelegenes Unternehmen herangewachsen war, das in seinen Grubenfeldern hervorragende Kokskohlenvorräte besaß und außerdem bereits über leistungsfähige Kokereikapazitäten verfügte.

 

Nachdem erste Lieferungen aus dem Aachener Revier nach Luxemburg zur Zufriedenheit beider Partner ausgefallen waren, setzte man sich an einen Tisch und schloss am 5. Mai 1913 in Berlin einen auf zunächst dreißig Jahren befristeten Interessengemeinschaftsvertrag, mit dem sich die ARBED eine günstig gelegene Kokskohlenbasis und der Eschweiler Bergwerks-Verein einen potenten Abnehmer für einen großen Teil seiner Produktion sicherte. Ein lohnender Vertrag, denn die ARBED entwickelte sich zum zweitgrößten Stahlkonzern Europas und ab 1926 zum Hauptaktionär des EBV.

 

Auch die lothringische und saarländische Stahlindustrie war an den hochwertigen und frachtgünstigen Kohlen aus dem Aachener Revier interessiert. Drei französische Stahlunternehmen gründeten daher die Gewerkschaft Carolus Magnus, die 1919 bei Übach-Palenberg erste Kohle förderte. Die Röchling´schen Eisen- und Stahlwerke ließen die Gewerkschaft Carl-Alexander bei Baesweiler errichten, die ab 1921 erste Kohle förderte.

 

Für die Entwicklung des Eschweiler Bergwerks-Vereins waren mit der Verknüpfung an die Luxemburger Stahlindustrie die Weichen für die kommenden Jahrzehnte gestellt. Das Unternehmen sah bald seine Hauptaufgabe darin, den ARBED-Konzern mit Koks zu versorgen. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es Jahre, in denen bis zu 70 Prozent der festen Brennstoffe des EBV an die Stahlindustrie in der Europäischen Gemeinschaft geliefert wurden. Lange Zeit sah in dieser „Kopflastigkeit“ niemand einen Nachteil; ganz im Gegenteil: Als 1955 die Kohlenkrise im deutschen Steinkohlenbergbau begann, als fremde Energien auf den deutschen Markt fluteten und das Erdöl, später auch das Erdgas, die Steinkohle aus dem Wärmemarkt und der Energieversorgung der Industrie drängten, als sich die Kohle, die keiner mehr haben wollte, zu hohen Bergen türmte, hatten die Bergleute des Eschweiler Bergwerks-Vereins mit der ARBED einen beständigen Abnehmer für ihre Produktion. Die Krise für den Eschweiler Bergwerks-Verein begann mit einer Zeitverzögerung, dann aber um so schärfer, als in den siebziger Jahren auch die europäische Stahlindustrie ins Schlingern geriet und immer weniger Koks und Kokskohle benötigte.

 

Die Arbeit unter Tage war schwer und gefährlich. In den vielen Jahren hat es immer schwere Unfälle und verunglückte Bergarbeiter gegeben. Der schwärzeste Tag für das Aachener Revier aber war jener 21. Oktober 1930. Morgens um 7:29 Uhr, eine halbe Stunde nach dem Ende der Seilfahrt der Frühschicht, zerriss eine gewaltige Explosion die Stille über der Stadt Alsdorf. Aus dem Eduard-Schacht der Grube Anna II schoss eine Feuersäule als unheilvoller Bote der schwersten Grubenkatastrophe, die den westdeutschen Bergbau jemals getroffen hatte. Das 36 Meter hohe stählerne Fördergerüst stürzte ein, die Schachthalle und die umliegenden Zechengebäude wurden verwüstet. Auch unter Tage gab es schwere Zerstörungen, von denen vor allem die 360-Meter-Sohle betroffen war. 271 Bergleute waren allein an diesem Tag als Opfer des Explosionsunglücks zu beklagen. Weitere Bergleute starben später an ihren Verletzungen. Ursache für das Unglück war vermutlich die Entzündung von Grubengas, aber bis heute sind die Ursachen des Unglücks nicht restlos geklärt.

 

Als der Eschweiler Bergwerks-Verein 1938 sein einhundertjähriges Bestehen feierte, wurde dieses Datum mit dem ersten Spatenstich für ein neues Steinkohlenbergwerk im Aachener Revier verknüpft: Am 21. Mai wurde in Siersdorf, mitten auf der „Grünen Wiese“ des Jülicher Landes, die Schachtanlage Emil Mayrisch aus der Taufe gehoben. Sie erhielt ihren Namen nach dem langjährigen ARBED-Präsidenten Emil Mayrisch, der die beiden Unternehmen 1913 einander näher gebracht hatte, viele Jahre im Aufsichtsrat des EBV wirkte und als Vorbild eines sozial denkenden erfolgreichen Unternehmers galt. Der erste Spatenstich hatte zu diesem Zeitpunkt freilich nur noch symbolische Bedeutung. Das Abteufen der beiden Schächte im Gefrierverfahren war bereits seit einiger Zeit in vollem Gang, und just am Tag der „Weihestunde“ auf Siersdorfer Erde ist eine der beiden Bohrungen bei 452 Meter Teufe auf das Steinkohlengebirge getroffen.

 

Mit dem neuen Steinkohlenbergwerk sollten die auf den anderen EBV-Gruben langsam zur Neige gehenden Fettkohlenvorräte ersetzt werden. Fettkohle gleich Kokskohle gleich Koks für die Hochöfen – die Gleichung mit der Stahlindustrie ging zu diesem Zeitpunkt noch ohne Rest auf. Die Mitarbeiter des EBV und mit ihnen die Bevölkerung des Reviers hofften damals, dass die neue Anlage die Kohlengrundlage des Unternehmens „auf weit mehr als ein Jahrhundert sicherstellen“ werde. Doch zunächst setzte der Zweite Weltkrieg allen weiteren Ausbauplänen ein jähes Ende. Als nach mehr als fünf Jahren im Mai 1945 die Waffen schwiegen, zog der Eschweiler Bergwerks-Verein eine bittere Bilanz: die Grube Gouley in Würselen hatte längere Zeit in der Hauptkampflinie gelegen und starke Schäden erlitten. Die Grube Maria in Mariadorf war nach sechswöchigem Artilleriebeschuss schwer zerstört, ihre 820-Meter-Sohle abgesoffen. Ein ähnliches Bild boten die Anna-Betriebe in Alsdorf. Auch hier war die 610-Meter-Sohle abgesoffen, waren zahlreiche Grubenbaue zu Bruch gegangen. Auf der Grube Adolf in Merkstein stand die 600-Meter-Sohle unter Wasser, auf der 450- und der 600-Meter-Sohle lagen Streckenteile und drei Abbaubetriebe zu Bruch. Waren alle diese Schäden in jahrelanger mühseliger Arbeit noch zu beheben, so kam für die Grube Eschweiler Reserve jede Hilfe zu spät. Sie war durch die Kriegseinwirkungen völlig abgesoffen, ein Sümpfen des zerstörten Grubengebäude kam nicht mehr in Betracht. Damit war die letzte Steinkohlengrube im Inderevier, wo einst die Geschichte des Eschweiler Bergwerks-Vereins ihren Anfang genommen hatte, aufgegeben.

 

Von allen Anlagen des Eschweiler Bergwerks-Vereins hatte einzig die Grube Laurweg in Kohlscheid den Krieg einigermaßen heil überstanden. Sie konnte sogar in den letzten Kriegsmonaten, als das Aachener Revier schon unter alliierter Besatzung stand, wieder kleinere Mengen Kohlen fördern und so die schlimmste Kohlennot unter der hungernden und frierenden Bevölkerung zu einem kleinen Teil lindern.

 

So erschreckend wie die Wirklichkeit nahmen sich auch die Zahlen  auf  dem Papier aus. 1938 hatte  der  Eschweiler Bergwerks-Verein mit 5 060 303 Tonnen seine bis dahin höchste Förderung erreicht und 1 249 519 Tonnen Koks erzeugt. 1945 wurden nur noch 597 000 Tonnen Kohle gefördert, die Kokserzeugung sank auf Null. Erst 1958, 13 Jahre nach Kriegsende, konnte mit 5 311 141 Tonnen die Vorkriegsförderung übertroffen werden.

 

Im neuen Steinkohlenbergwerk Emil Mayrisch konnten die Ausbauarbeiten, die durch Krieg und Nachkriegszeit drei Jahre zum Erliegen gekommen waren, fortgesetzt werden. Es dauerte noch bis 1952, ehe das erste Abbaurevier Kohle gewinnen konnte. Im November 1958 erreichte die Anlage erstmalig eine Tagesförderung von 3000 Tonnen.

 

Inzwischen waren über den Steinkohlenrevieren in der Bundesrepublik Deutschland aber schon die ersten dunklen Wolken heraufgezogen. Der Kohlekonkurrent Erdöl hatte das Leitmotiv für die kommenden Jahrzehnte angeschlagen: Die Welt litt nicht mehr am Energiemangel, sie begann am Energieüberfluss zu „leiden“.

 

Nach dem Erdöl drückten Erdgas und Kernenergie auf den Absatz der deutschen Steinkohle und ließen die Förderung schrumpfen.

 

Aber solange die Nachfrage nach Stahl anhielt, ja sogar stieg, behielt die Kohle hier ihren wichtigsten Abnehmer. Der Bedarf der ARBED für ihre Hochöfen bildete auch den Hintergrund, vor dem der EBV Mitte der fünfziger Jahre den Schritt aus dem Aachener Revier hinaus an die Ruhr getan hatte, um mit dem Erwerb weiterer Zechen und Kokereien die Kokskohlenbasis für seine Muttergesellschaft zu verstärken.

 

Als 1969 die Ruhrkohle AG gegründet wurde, blieb der EBV mit einer Jahresförderung von fast 8,7 Millionen Tonnen und einer Belegschaft von 22.000 Mitarbeitern als selbständiges Unternehmen erhalten.

 

Aber die anhaltende Konkurrenz auf dem Energiemarkt und die in den siebziger Jahren einsetzende Krise der europäischen Stahlindustrie zwangen den EBV wie den übrigen deutschen Steinkohlenbergbau dazu, seine Kapazitäten den verringerten Absatzmöglichkeiten anzupassen. Nach dem schon vorher mehrere EBV-Gruben, deren Kohlenvorräte erschöpft waren oder keinen Abnehmer mehr gefunden hatten, die Förderung einstellen mussten, wurden seit 1970 im Aachener Revier noch einmal drei Schachtanlagen stillgelegt.

 

1979 wurde ein umfangreiches Umstrukturierungsprogramm eingeleitet, um die Förderung auf zwei leistungsfähige Großschachtanlagen zu konzentrieren. Neben einer Schachtanlage im Ruhrgebiet war dies im Aachener Revier die Grube Emil Mayrisch. Es wurde in 860 Metern Tiefe eine sechs Kilometer lange Verbindungsstrecke zwischen den Gruben Anna und Emil Mayrisch aufgefahren. Nach ihrer Fertigstellung stellte Anna zum Jahresende 1983 die Förderung ein. Seitdem wurden die Kohlen aus dem Grubenfeld Anna unter Tage nach Emil Mayrisch transportiert, dort gefördert und aufbereitet.

 

Neben der letzten EBV-Grube Emil Mayrisch war jetzt im Aachener Revier nur noch die rund 20 Kilometer nordöstlich von Emil Mayrisch gelegene Grube Sophia-Jacoba in Betrieb. Diese hatte jedoch eine Sonderstellung, weil hier andere Besitzverhältnisse vorlagen und ausschließlich hochwertige Anthrazitkohle gefördert wurde.

 

Trotz aller Anstrengungen konnte das Ende der Bergbaubetriebe im Aachener Revier nur herausgeschoben aber nicht verhindert werden. Für Emil Mayrisch kam hinzu, dass der für die Lebensdauer der Grube wichtige Aufschluss neuer Kohlenvorräte im Grubenfeld „Settericher Graben“ sich bei Probebohrungen als wirtschaftlich nicht vertretbar erwies. Die Vorräte im „Settericher Graben“ waren geringer, die Voraussetzungen für ihren Abbau schwieriger, als man ursprünglich erwartet hatte. Politiker, Unternehmer und Gewerkschaftler kamen daher überein, die Voraussetzungen für eine sozialverträgliche Stillegung im Jahre 1992 zu schaffen.

 

Für die Grube Sophia-Jacoba, die inzwischen von der Ruhrkohle AG übernommen wurde, kam das Aus zum Jahr 1997. Ein Hauptgrund hierfür war der weggebrochene Absatzmarkt für Hausbrandkohle sowie der mittlerweile weltweite Konkurrenzdruck auf die heimische Kohle – die im Vergleich zu Importkohle fast den dreifachen Betrag kostete.

 

Damit ging für das Aachener Revier eine jahrhundertealte Bergbautradition zu Ende. Das Aachener Revier war das älteste Steinkohlenrevier Deutschlands und das erste, das vollständig zum Erliegen kam.